Warum geschieht Leistung, und nicht nichts?

Motivation = Freiheitgrade x Wertschätzung

Stell Dir vor es ist Arbeit, jeder geht hin, niemand rührt einen Finger. Absurde Vorstellung? Woran liegt es aber, dass wir meistens etwas und seltener nichts tun? Die Frage der Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist zentral für jede Organisation, stellt sich aber auch individuell morgens nach dem Weckerklingeln. Warum eigentlich entscheidet sich die überwältigende Mehrheit der Menschen dazu, aufzustehen und jeden Tag etwas zu tun? Warum passiert Leistung, und nicht nichts? Aus der philosophischen Ecke kommend fasst Sloterdijk (1995) den Diskussionsstand ganz treffend zusammen: „Die Moderne ist in keiner Angelegenheit so blind wie in der Frage nach den Antriebskräften der eminenten Menschen. Im Zeitalter der größten Kraftentfesselungen herrscht das größte Nichtwissenwollen hinsichtlich der Quellen subjektiver Kraft.“ (Sloterdijk 1995, S. 155)

Nun soll es hier nicht um philosophische Betrachtungen zu den menschlichen Handlungsquellen an sich gehen, sondern eher um lebens- oder führungspraktische Fragen. Es wäre doch zu schön, wenn es einen Schalter gebe, mit dem diese ominöse innere Kraft mit dem Namen Motivation angestellt werden könnte, auf dass sie sich in das motivierte Verhalten übersetze, welches wir Leistung nennen. „Wie kann ich meine Mitarbeitenden motivieren?“ lautet eine häufige Frage. Sie unterstellt dabei, dass dafür etwas zu tun sei. Ich möchte behaupten: das Gegenteil ist der Fall. Es ist vor allem etwas zu lassen. Und ein wenig zu tun auch, ja klar.

Unter der Überschrift Motivation wird üblicherweise eine zielgerichtete Handlungstendenz verstanden. Sie wird auf ein zu Grunde liegendes Motiv zurückgeführt. Motive lassen sich als Handlungsbereitschaften verstehen. Ist ein Motiv stark ausgeprägt, so erhöht sich die Tendenz, dass damit assoziierte Verhalten zu zeigen (z.B. das Leistungsmotiv, siehe Brunstein & Heckhausen, 2010). Es gibt also ein nicht beobachtbares Motiv in mir, das ein Verhalten in der Welt da draußen erzeugt, antreibt oder energetisiert. Dieses innere Motiv wird allerdings häufig als von außen – oder von oben – hineingehängte Möhre verstanden, vor allem von Personaler*innen, Führungskräften und Schweinehunde-Hirten.

Motivation und Spiel

Nur weil Menschen 18 werden sind sie im Grunde nicht anders, als Kinder – motiviert!

 

Wer wissen will, ob dem wirklich so ist, dem empfehle ich den Besuch eines Spielplatzes. Dort tun Horden von Kindern etwas strukturell sehr artverwandtes wie Mitarbeitende in Organisationen: sie hangeln sich entlang der als sinnvoll gebauten Bahnen zur als Leistung erachteten Höhen und rufen: „guck mal, Papa/Mama!“. Und die antworte: „Toll!“. Und weiter geht es, zu neuen Höchstleistungen. Es braucht keine Möhre, kein Incentive, keine Aufforderung. Was es braucht ist der Name: Spielplatz. Er umreißt ein Feld, auf dem erlaubt ist, was gefällt. Und ganz von selbst tun Kinder hier, was ihnen möglich ist. Bis sie nicht mehr können. Dann gibt es Pause und Brotzeit, und weiter geht’s. Nach Hause? Bitte nicht! Feierabend? Auf keinen Fall, mindestens noch ein Mal, ein letztes Mal, ein aller-letztes Mal! Alles was es dafür braucht sind Freiheitsgrade und Wertschätzung.

Diese Kinder werden irgendwann volljährig – an den Treibfedern des Handelns ändert dies aber nichts. Arbeit? Juhu, mehr davon, noch eine Akte, ein letzter Handgriff, eine aller-letzte Mail! Der Traummitarbeitende vieler Führungskräfte. Um ihn ins Leben zu setzen, greifen sie zu einem ungeeigneten aber naheliegendem Mittel: der Möhre. Es ist ein bisschen so, wie dem Kind auf dem Spielplatz eine Schokolade zu versprechen, sollte es das Klettergerüst erklimmen. Natürlich wird das Kind dann klettern. Und danach wieder vor der Bank stehen, um sich den nächsten mit Belohnung versehenen Auftrag abzuholen. Keine Eigeninitiative, kein eigener Antrieb, Belohnungssucht mit Ergebnis Depression oder neumodisch Burnout. Sprenger hat diesen Kreislauf vor gut 30 Jahren in seinem Buch Mythos Motivation beschrieben.

Vier Erkenntnisse über Motivation

  1. Die Quellen der Motivation oder Antriebskraft sind unbekannt.
  2. Menschen sind motiviert und wollen üblicherweise Leistung zeigen. Sie müssen nicht motiviert werden.
  3. Spezifische Belohnungs-Systeme, die Individualleistungen honorieren, führen zu Demotivation.
  4. Motivation ist Ergebnis des Produkts aus Freiheitsgraden und Wertschätzung.

Das klingt bisher wie die frohe Botschaft für Führungskräfte: Mitarbeitende sind aus sich selbst heraus motiviert, Führung kann sich um die „richtige Arbeit“ kümmern! So einfach ist es dann aber nicht. Die Motivationsarbeit von Führungskräften oder auch Organisationen betreffen die Rahmenbedingungen der Leistung. Denken wir an die Kinder zurück: sie brauchen den Spielplatz als Rahmen dafür, frei entscheiden zu können, welche Spitzenleistung die nächste sein, welche Herausforderung als nächstes gemeistert werden soll. Jenseits dieses Raumes auf Autodächer zu klettern wird üblicherweise nicht mit dem schon angesprochenen elterlichen „Toll!“ belohnt. Und genauso hat Führungsarbeit sehr wohl einen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeitenden – oder eher ihre Demotivation. Führungskräfte sollten das folgende tun, um letztere möglichst gering zu halten.

 

3 Regeln für Führungskräfte zur Motivation ihrer Mitarbeitenden

Zäunen Sie den Spielplatz ein!

Definieren Sie einen eindeutigen Raum für Leistung. Leistung, die Sie nicht wertschätzen können („Toll!“), brauchen weder sie noch die Mitarbeitenden, die diese erbringen. Freiheit braucht Grenzen. Und die dürfen nicht nur der Führungskraft bekannt sein, sondern auch den Mitarbeitenden. Wenn diese noch aus dem „Warum“, dem Purpose der Organisation, abgeleitet sind, bleibt kaum noch etwas zu wünschen übrig.

Bauen Sie die Mutter aller Klettergerüste auf!

Anforderungen dürfen hoch sein. Durchaus höher, als die übliche Leistung. Aber nicht zu hoch. Die Lust zu klettern vergeht schnell, wenn es unmöglich ist, die erste Ebene zu erreichen. Nur mit Mühe den Gipfel zu erklimmen macht die Angelegenheit dafür um so wertvoller. Vergessen Sie dabei nicht, dass Menschen ganz unterschiedliche auf Leistungsanforderungen reagieren!

Zügellos bereit zum Lob!

Das Ziel sollte klar sein, der Weg dahin selbst gewählt. Die Freiheitsgrade der Leistungserbringung erweitern Sie durch Vertrauen und Ressourcen. Greifen Sie nur im Sinne des Subsidiaritätsprinzips ein! Ihr Lob nach Zielerreichung müssen Sie nicht spielen – da ist jemand tatsächlich ohne Ihr Zutun ganz nach oben gelangt – wow! Denken Sie an die alte Daumenregel, dass eine Seele Kritik verträgt – wenn sie vorher siebenmal gelobt wurde.

Freiheitsgrade und Wertschätzung sind die zentralen Faktoren dafür, dass Menschen so motiviert bleiben, wie sie die Organisation betreten haben. Führungskräfte können sich einerseits zurücklehnen, denn motivieren können sie Mitarbeitende nicht. Und müssen andererseits ihren Job machen: nur mit einer klaren Leistungserwartung, kontinuierlichen Feedbackprozessen, einer transparente Kommunikation über Ziele und Sinn, Unterstützung im Sinne des Subsidiaritätsprinzips und Vertrauen in die Ergebniskompetenz der eigenen Leute gibt es am Ende ein Ergebnis zu feiern, dass garantiert dazu motiviert, beim nächsten Mal noch ein Level höher zu klettern.

Wir maximieren Ihre Freiheitsgrade:

Literatur

Sloterdijk, P. (1995). Weltfremdheit. Edition Suhrkamp: Bd. 1781 = N.F., 781. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Brunstein, J. C. & Heckhausen, H. (2010). Leistungsmotivation. In J. Heckhausen & H. Heckhausen (Hrsg.), Motivation und Handeln (Springer-Lehrbuch, S. 145–192). Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg.

Sprenger, R. (1991). Mythos Motivation. Frankfurt am Main: Campus Verlag.

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